Lob oder Anerkennung
Auswirkungen von Lob auf das Leben von Kindern und Jugendlichen
Lob wir allgemein als akzeptiertes oder sogar gewünschtes pädagogisches Mittel nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch im beruflichen Kontext von Vorgesetzten anerkannt und als die Möglichkeit gesehen anderen Menschen in ihren Anstrengungen anzuerkennen.
Seit einiger Zeit gibt es jedoch neben Menschen, wie Jesper Juul und Gernot Grieger und anderen, die eine andere Sicht auf die Anwendung von Lob haben,auch mindestens zwei Studien, die Lob differenzierter sehen.
In diesem kleinen Papier habe ich ein paar Gedanken, die wenigsten von mir (Quellen siehe unten) zusammengefasst. Diese Gedanken können zum Denken und Experimentieren im pädagogischen Alltag anregen und im besten Falle zu gleichwürdigen Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften, Lehrkräften, Eltern und Kindern und Jugendlichen führen.
Begriffsklärung: Was unterscheidet Lob von Anerkennung?
Wie ich den Begriff Loben und den Begriff Anerkennung verwende:
- Beim Loben bewerte ich das Verhalten oder die Leistung eines Menschen.
- Das Verb loben hat sich aus dem althochdeutschen Verb lobôn (= loben, preisen, verherrlichen, empfehlen, jubeln) entwickelt, dessen grammatische Wurzel das ahd. Substantiv lob (= Lobgesang, Hymnus, Laudes, Dank, Beifall, Auszeichnung, Ruhm) ist.
- (Wikipedia.de)
- Mein Gebrauch des Begriffes Anerkennung: Wenn ich Anerkennung gebe, wertschätze ich das Verhalten oder die Leistung, unabhängig davon, ob sie gut oder schlecht, hilfreich oder hinderlich war. (Landesjugendamt,19ff.)
Was ist die Wirkung von Lob?
Im Folgenden einige Gedanken zur Auswirkung von Lob. Diese Auswirkungen können langfristig oder auch kurzfristig zu beobachten sein.
Ein wichtiger Gedanke, der beim Loben zu berücksichtigen ist, und dessen Autor ich leider nicht zuordnen kann, vielleicht war es Jesper Juul, vielleicht auch jemand anderes ist der folgende: Kinder können nicht unterscheiden, ob ihre Handlung oder ihre Person gelobt wird.
Häufig definieren wir einen Menschen über das was er leistet und nehmen ihn dadurch nicht mehr als Mensch war. (Juul, Aus Erziehung wird Beziehung)
Juul bringt in einem Buch das Beispiel, was zu Hause beim sehnsüchtigen Warten auf seine Mutter ein Bild malt, welches es der Mutter beim nach Hause kommen reicht. Die Mutter kommentiert das Bild mit den Worten: „Das hast du aber schön gemalt.“ Mit diesem Lob wird das Bild bewertet und das Kind außen vor gelassen. Sie hätte eher sagen können: „Du hast wohl ganz schön Sehnsucht nach mir gehabt. Ich freue mich auch ganz doll dich zu sehen.“ Damit hätte sie das Kind wirklich wahrgenommen. (Juul, 107)
Gernot Krieger beschreibt die Wirkung von Lob folgendermaßen:
Gernot Krieger (gewaltbewusste Pädagogik) prägt den Begriff „Bewertendes, preisendes Lob“
‚Grundhaltung des Erwachsenen: „Ich beschenke dich.“
Aussage: „Das ist ja wunderwunderschön, was du da machst - ganz toll.“
Was damit ausgedrückt wird: Ich beschenke dich mal mehr, mal weniger, mal gar nicht. Ich fälle
das Urteil nach meinen ganz eigenen Vorstellungen, du bist nie sicher und wenn ich dich mal nicht
preise, wirst du nicht wissen, woran es liegt und was du tun musst, um das große Lob
wiederzuerlangen. Da du nicht weist, wie du zu der „Ehre“ kommst, wirst du befürchten müssen,
dass du etwas falsch gemacht hast, wenn du für etwas, das du getan hast, nicht das ersehnte Lob
bekommst.‘ (Krieger, 7)
Mögliche Folgen und Auswirkungen von Lob (in Stichworten):
- Kein wirklicher Kontakt zwischen Menschen
- sich wertlos fühlen
- Bewertung
- Macht abhängig
- Anpassung an Erwartungen
- Eigentätigkeit sinkt, extrinsische Motivation
- Unsicherheit
- Kontaktverlust zu sich selber
- Anspannung
- Enttäuschung, wenn es ausbleibt
- Ich versuche das gleiche wieder, und hoffe wieder Lob zu erhalten. (Kinder, die ein Bild nach dem anderen malen.)
Lob und die Wirkung auf die anderen Kinder.
„Vor einiger Zeit räumten zwei Mädchen meiner Kindergruppe unaufgefordert das Spielzeugregal
auf. Ich lobte sie sehr, stellte ihren Fleiß und ihren Ordnungssinn heraus. Kurz danach beobachtete
ich, wie ein Junge mit einer wütenden Handbewegung alle Gegenstände aus diesem Regal schob.
Es stellte sich mir die Frage, was da gerade passiert war.“ (Landesjugendamt, 19)
Die Auswirkungen des Lobens in dieser Szene auf den Jungen könnten folgendermaßen beschrieben werden: Verunsicherung beim Jungen, weil die folgende Botschaft verstanden wurde: „Du bist nicht so ordentlich“
Laut Krieger ist das Gegenteil von Loben das bewertende, tadelnde Eingreifen:
Gernot Krieger: „Bewertendes, tadelndes Eingreifen“
‚Grundhaltung des Erwachsenen: „Ich wende mich gegen dich.“
Aussage: „Das ist aber gar nicht schön, was du da gemacht hast.“
Was damit ausgedrückt wird: Du hast etwas Schlechtes, etwas Böses getan. Du hättest es besser
wissen, du hättest es unterlassen müssen. Es ist nicht wahr, dass du nichts dafür kannst. Ich zeige dir
nicht meinen Schmerz oder meine Angst, ich zeige dir stattdessen meine Enttäuschung, meinen
Überdruss und Ärger. Ich erwecke in dir damit den Eindruck von Ablehnung oder sogar die Angst
vor Vergeltung.‘ (Krieger, 7)
Folgendes Beispiel zu „bewertendem, tadelndem Eingreifen“:
Der Luftroller I
Ein Dreijähriger schnappt sich den Luftroller, der im Kitagarten gerade frei geworden ist. Die
Erzieherin merkt an:„Pass auf, da fällst du runter…- warte mal, bis du größer bist und nimm dir
jetzt lieber das Rutschauto.“ Der Junge zögert. Als sich die Erzieherin einem anderen Kind
zuwendet, versucht er zaghaft, den Roller ins Gleichgewicht zu bekommen und stößt sich vorsichtig
ab. Der Schwung reicht nicht, er kippt und landet auf dem Pflaster. Er weint. Die Erzieherin
bestätigt: „Na siehst du, ich hab Dir doch gesagt, du bist noch zu klein.“ Der Junge nimmt sich das
Rutschauto und rollert lustlos über den Hof. (Landesjugendamt, 19)

Vgl. Hüther (2006): "Angst und Selbstzweifel führen eher zur Vermeidung von neuen Herausforderungen. Die vom Kind empfundene Belastung erhöht die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns, verstärkt die negativen Erwartungen und bestätigt Angst und Selbstzweifel." (Landesjugendamt, 18)
Bleibt die Frage, was man statt Loben und Tadeln tun kann, wenn man jemandem (Kind oder Erwachsenen Anerkennung geben möchte. Gernot Krieger erklärt dies folgendermaßen:
Gernot Krieger: „Beschreibend Anerkennung geben“
‚Grundhaltung des Erwachsenen: „Ich beachte dich.“
Aussage: „Du hast ein Bild gemalt mit viel Rot und einem bisschen Gelb. Erzähl mir mal, was das
ist.“
Was damit ausgedrückt wird: Ich gebe dir eine Rückmeldung zu deinem Tun und gebe den Dingen
Namen, um dich anzuregen. Gleichzeitig gebe ich dir damit die Sicherheit, dass du von mir
aufmerksam begleitet wirst, und dass ich dich beim Erkunden der Welt unterstütze.‘ (Krieger, 7)
Der Luftroller II
Ein Dreijähriger schnappt sich den Luftroller, der im Kitagarten gerade frei geworden ist. Die
Erzieherin betrachtet ihn wohlwollend und nickt ihm lächelnd zu. Und los geht´s. Anfänglich droht
der Roller nach rechts oder links wegzukippen. Das Koordinieren beider Beine mit dem Stehen auf
dem Trittbrett und dem Schwungholen mit dem anderen Bein erfordert alle Aufmerksamkeit des
Kindes. Beim Hinschlagen hält das Kind die Rollergriffe fest umschlossen. Es steht sogleich wieder
auf und nimmt neuen Schwung. Dabei schaut der Junge die gesamte Zeit ernst und sehr gebannt auf
den Lenker und die Strecke. Als der Roller nach einer Weile richtig „rund“ läuft und er längere
Strecken mit dem Schwung des Beines auf dem Roller vorankommt, verändert sich sein
Gesichtsausdruck. Freudestrahlen, begleitet von Rufen: „Guck mal, wie ich fahre!“ (Landesjugendamt, 18) Die Erzieherin könnte jetzt einfach sagen: „Ich sehe dich.“ oder „Du rollerst ja und hast richtig Freude und Spaß dabei.“
Die vom Kind bewältigte Situation, das Erleben gelungener Erkundung löst im Hirn das
Ausschütten von Serotonin und Dopamin aus, den sogenannten Glückshormonen. Diese Botenstoffe
befördern weitere Entdeckerlust und die Erfahrung des Kindes „Ich kann etwas schaffen.“ So wird
die in der folgenden Grafik skizzierte „Erfolgskette“ wieder aktiviert. (Landesjugendamt, 17; Vgl. Hüther, (2006)). Diese „Erfolgskette“ hat soviel Wirkung, dass es kein Lob von außen dazu braucht.

Vgl. (Hüther, 2006): "Die positive Erwartung seitens der Bindungsperson fördert Lust und Neugierde auf die Herausforderung beim Kind. Unterstützt vom eigenen Selbstvertrauen gelingt dem Kind die Bewältigung. Der Erfolg stärkt das Interesse an neuen Herausausforderungen. (Landesjugendamt, 17)
Anerkennung geben
Statt zu sagen: „Du bist so fleißig.“ könnte man beschreiben: „Du hast das Regal aufgeräumt und ich habe gesehen, wie du dir richtig Gedanken gemacht hast, wie du es einräumen kannst. Danke dafür.“ oder einfach nur „Danke“.
Die Dinge, Handlungen und die Gefühle des Kindes beschreiben, anstatt sie oder das Kind zu bewerten.
Studien
https://www.alltagsforschung.de/kindererziehung-lob-kann-sich-raechen/ Letzter Aufruf: 31.1.2023
https://www.alltagsforschung.de/der-effort-effekt-warum-lob-auch-schaden-kann/ Letzter Aufruf: 31.1.2023
Literatur
Juul, Jesper; Jensen, Helle (2019); Vom Gehorsam zur Verantwortung. Wie Gleichwürdigkeit in der Schule gelingt, Beltz Verlag Weinheim Basel
Juul, Jesper (1997); Dein kompetentes Kind, Rowohlt Verlag Reinbek bei Hamburg
Juul, Jesper: Aus Erziehung wird Beziehung. https://www.youtube.com/watch?v=6szK0UC1cJU Letzter Aufruf 30.1.2023
Krieger, Gernot (2023); http://gernot-krieger.de/gk/wp-content/uploads/2021/10/Gewaltbewusste-Paedagogik-2021-10.pdf Letzter Aufruf: 24.1.2023
Landesjugendamt (2009); Respektvoller Umgang mit Kindern, Erziehungsmittel unter der Lupe
Suche uber: www.mbjs.brandenburg.de → Suche: Respektvoller Umgang mit Kindern =>
https://mbjs.brandenburg.de/sixcms/media.php/bb2.a.58134.de/Respektvoller%20Umgang.pdf Letzter Aufruf: 24.1.2023
Hüther, Gerald und Quarch, Christoph (2018): Rettet das Spiel!: Weil Leben mehr als Funktionieren ist; Btb Verlag München
Hüther, Gerald (2006): Einführung in die Neurobiologie für Pädagogen, Therapeuten und Lehrer, DVD/Jokers edition, www.auditorium-netzwerk.de
Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Lob, Letzter Aufruf 24.01.2023
DRK: Was MACHT was?! https://drk-wohlfahrt.de/fileadmin/user_upload/Curriculum__Was_macht_was/4.Was-MACHT-was__-Modul-EinPRAEGsam.pdf Letzter Aufruf: 31.1.2023